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Studienreise von NachwuchswissenschaftlerInnen der Allgemeinmedizin Erlangen nach Großbritannien und Belgien

Studienreise von NachwuchswissenschaftlerInnen der Allgemeinmedizin Erlangen nach Großbritannien und Belgien

Vom 9.3. bis 16.3.2019 fand eine Studienreise für eine Gruppe von fünf NachwuchswissenschaftlerInnen des Allgemeinmedizinischen Instituts des Universitätsklinikums Erlangen nach Großbritannien und Belgien statt.

Als erste Station der Studienreise wurde die Gruppe von Dr. Iona Heath in London empfangen. Dr. Heath war über 30 Jahre als Hausärztin in England tätig. Sie war Präsidentin des Royal College of General Practitioners in Großbritannien (2009 - 2012) und Redaktionsberaterin des British Medical Journal (BMJ). Sie ist international bekannt als eine der führenden ExpertInnen in der Versorgungsforschung v.a. im Bereich der Verhinderung medizinischer Über- und Unterversorgung.

Die Gruppe erhielt zu Beginn eine Einführung in das britische Gesundheitssystem, gefolgt von einer Besichtigung der Caversham Gemeinschaftspraxis, in der Dr. Heath bis zu ihrer Pensionierung gearbeitet hat. Die mit insgesamt dreizehn Ärztinnen und Ärzten sehr große Praxis beeindruckte die TeilnehmerInnen durch die interprofessionelle Aufstellung des Teams (u.a. Apothekerin; care navigator für die Patienten; practice nurses, die eigenständige Routinekonsultationen durchführen; tägliche Gruppenbesprechungen und -fortbildungen) eine hilfreiche Praxisverwaltungssoftware, die weit über deutsche Standards hinausgeht (Qualitätsmanagement, Episodenstruktur, Unterstützung interprofessioneller Zusammenarbeit, papierlose Rezeptübermittlung zur Apotheke etc.) sowie durch innovative Projekte zur Einbeziehung von PatientInnen in gemeinschaftliche Projekte (z.B. urban gardening im Praxisgarten, Bastel- und Nähkurse im Wartezimmer).

Am Dienstag wurde die Gruppe in Oxford am dortigen Nuffield Department of Primary Care Health Sciences (NDPCHS) von Julian Treadwell empfangen. Dort präsentierten die NachwuchswissenschaftlerInnen den aktuellen Stand der Forschungsprojekte des Allgemeinmedizinischen Instituts Erlangen und nahmen an zwei Podiumsdiskussionen mit Dr. David Nunan (NDPCHS) sowie Prof. Richard Lehman (Institute of Applied Health Research, University of Birmingham) teil.

Am Mittwoch informierte sich die Gruppe über additive Weiterbildungsveranstaltungen im Weiterbildungsgang Allgemeinmedizin in England. Dort kommen ÄrztInnen in Weiterbildung sowohl aus niedergelassenen Praxen als auch aus Kliniken in einer Gruppe von ca. 30 TeilnehmerInnen zusammen, um aktuelle Themen aus der Hausarztmedizin zu besprechen sowie sich in Balint-Kleingruppen zu treffen.

Nach einer Zugfahrt mit dem Eurostar durch den Kanaltunnel traf die Gruppe am Mittwochabend in Gent ein. Dort wurde die Gruppe von Prof. An De Sutter empfangen, der Lehrstuhlinhaberin für Allgemeinmedizin an der Universität Gent. Der Besuch begann mit einer Reihe von Vorträgen belgischer WissenschaftlerInnen des Lehrstuhls und anschließenden umfassenden Frage- und Antwortrunden. Im Folgenden wurde die Gruppe von Prof. Jan De Maeseneer begleitet. Prof. De Maeseneer ist Professor Emeritus des Lehrstuhls für Allgemeinmedizin an der Universität Gent. Seine Forschungen waren und sind fokussiert auf Themen wie Epidemiologie in der Allgemeinmedizin, Verschreibungsverhalten von Ärzten, medizinische Entscheidungsfindung, Versorgungsforschung und den Zusammenhang von Gesundheit und Armut.

Im Anschluss begleitete Prof. De Maeseneer die Gruppe zum Besuch eines Social Welfare Centers in Gent. Es handelt sich dabei um ein Gemeindehaus, in dem verschiedene und umfangreiche Angebote für die Bewohner des Stadtviertels gebündelt angeboten werden. Vom Jugendamt bis zur Pflegeberatung und von Töpferkursen bis zum Sozialcafé sind alle wichtigen Angebote vorhanden, die in erster Linie für sozial schwächere besonders bedeutend sind und einen großen Einfluss auf deren Gesundheit haben.

Auf den Besuch des Social Welfare Centers folgte die Besichtigung des von Prof. De Maeseneer 1978 mitgegründeten Community Health Centers Botermarkt. Das Gesundheitszentrum befindet sich in direkter Nachbarschaft des Social Welfare Centers, um bei Bedarf unkompliziert an die entsprechenden Beratungsdienste verweisen zu können. Das Community Health Center ist im Vergleich zur klassischen deutschen Hausarztpraxis ein sehr großer Betrieb mit über 40 Angestellten. Hierunter befinden sich u.a. RezeptionistInnen, ÄrztInnen verschiedener Disziplinen (Allgemeinmedizin, Zahnmedizin etc.),  Pflegekräfte, PhysiotherapeutInnen, PodologInnen und SozialarbeitInner. Auch hier wird – wie schon in der Gemeinschaftspraxis in London – der interprofessionellen Zusammenarbeit große Bedeutung beigemessen.

Der Besuch eines weiteren Community Health Centers in Nieuw Gent am darauffolgenden Freitag bestätigte die Eindrücke der ersten Stationen: Die Zusammenarbeit verschiedener Gesundheitsfachberufe ist in den besuchten Einrichtungen institutionalisiert und weitreichend etabliert. Das Leitbild stellt die Patienten. in den  Mittelpunkt. Allerdings sind Community Health Center auch in Belgien noch nicht weit verbreitet: Laut Prof. De Maeseneer wird über 90% der hausärztlichen Versorgung in Belgien durch herkömmliche Hausärzte außerhalb von Community Health Centers geleistet.

Den Abschluss der Studienreise bildeten am Freitagnachmittag der Besuch einer Vorlesung bei Medizinstudierenden sowie eine Diskussion mit Prof. De Maeseneer am Allgemeinmedizinischen Institut der Universität Gent. Hier standen vor allem die Themen Forschungskooperationen und allgemeinärztliche Aus- und Weiterbildung in Belgien im Vordergrund. Ein gemeinsames Abendessen mit Mitarbeitenden des Allgemeinmedizinischen Instituts in dem früheren Dominikanerkloster „Het Pand“, das sich heute in der Hand der Universität Gent befindet, rundete den Aufenthalt ab.

Als Fazit der Studienreise präsentierten die TeilnehmerInnen nach ihrer Rückkehr ihre Eindrücke in einem Vortrag am Allgemeinmedizinischen Institut des Universitätsklinikums Erlangen und äußerten die Hoffnung, zumindest Teile der in Großbritannien und Belgien gewonnenen Kenntnisse in ihre weitere Ausbildung und ihren Arbeitsalltag übernehmen zu können.. Die geknüpften Kontakte zu verschiedenen ForscherInnen werden durch die Bearbeitung gemeinsamer Themen weiterhin aufrechterhalten und vertieft.