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Forschung auf Augenhöhe mit der Zielgruppe

Forschung auf Augenhöhe mit der Zielgruppe

Rückblick auf die Bürger*innenkonferenz in Frankfurt am Main

Warum Bürger*innen und Patient*innen bei der allgemeinmedizinischen Forschung stets partizipieren sollten – ein Rückblick auf die erste bundesweite Bürger*innenkonferenz des allgemeinmedizinischen Forschungsnetzwerks DESAM-ForNet in Frankfurt am Main.

Wie kann aktive Patient*innen-Beteiligung an der allgemeinmedizinischen Forschung gelingen?
Welche Vorteile bringt sie für Patient*innen und für Forschende?
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Bürger*innen sich gewinnbringend beteiligen können?
Und warum ist die Partizipation so wichtig?

Diese und weitere Fragen waren Thema bei der zweitägigen DESAM-ForNet-Bürger*innen-Konferenz an der Goethe-Universität Frankfurt, wo sich am 10. und 11. April 2024 rund 70 Patient*innen, Bürger*innen und Forscher*innen aus den Beiräten der sechs allgemeinmedizinischen Forschungspraxennetze zum intensiven Austausch trafen.

Auf insgesamt 10 Standorte – darunter Erlangen - sind die sechs Forschungspraxennetze verteilt. Auch der Bürgerbeirat Erlangen am Institut für Allgemeinmedizin (BayFoNet) war bei der Konferenz vertreten – mit den Wissenschaftlerinnen Stefanie Stark und Laura Rink und den Bürgerbeirats-Sprecherinnen Astrid Palupski und Stephanie Rupp.

Auftakt am Nachmittag, 10. April, war bei bestem Wetter für alle Teilnehmer*innen ein Stadtspaziergang zur Frankfurter Medizingeschichte. Christian Setzepfandt führte sehr kompetent, locker und kurzweilig zu den entsprechenden historischen Standorten. Mit Frankfurt verbindet man im ersten Moment zwar eher keine bedeutende Medizingeschichte, wir wurden aber eines Besseren belehrt. Unter anderem hat hier Paul Ehrlich die Grundlagen der Chemotherapie entwickelt. Der Mediziner erfand die Färbemethoden und machte damit Krankheitserreger unter dem Mikroskop sichtbar. Doch auch die erste Operation am offenen Herzen, die Entwicklung des Kaiserschnittes, die Alzheimer-Forschung und die Therapie von HIV/AIDS sind untrennbar mit Frankfurt verbunden.

Am Donnerstag, 11. April trafen sich vormittags zahlreiche Mitglieder der Patient*innen- und Bürger*innen-Beiräte sowie die Beiratskoordinator*innen zum gemeinsamen Erfahrungsaustausch zum Thema “Aktive Beteiligung von Patient*innen und Bürger*innen an der allgemeinmedizinischen Forschung?” Die Begrüßung und Moderation der Ergebnisse übernahmen Dr. Jennifer Engler, Institut für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität Frankfurt, und Dr. Christine Kersting, Universität Witten/Herdecke.

Im Rahmen eines World Cafés tauschten sich Bürger*innen und Forscher*innen an insgesamt vier Thementischen in moderierten Kleingruppen zu folgenden Themen aus:

  • Mehrwert & Motivation
  • Voraussetzungen
  • Herausforderungen
  • Wünsche für die Zukunft

Die Forscher*innen motivierten die Bürger*innen und Patient*innen dazu, nicht nur intensiv über ihre bisherigen Erfahrungen in den jeweiligen Beiräten zu berichten, sondern auch, detailliert ihre Perspektive dazu einzubringen, wie eine allgemeinmedizinische Forschung im Sinne derjenigen gestaltet werden sollte, für die sie gemacht wird. Dazu brachten die Beteiligten zahlreiche Impulse ein, die zusammengefasst auf die Stellwände gepinnt wurden. 

Die Bürger*innen lobten unter anderem die auf Augenhöhe stattfindende Zusammenarbeit in den Beiträten sowie den Erfahrungsaustausch, zu dem jeder sehr viel Unterschiedliches beitragen kann. Die Möglichkeit, sich über den gesamten Forschungsprozess immer wieder einzubringen, gilt als besonders motivierend. Als persönlicher Mehrwert wurde immer wieder die Möglichkeit zur Weiterbildung genannt – sowohl, was medizinische Themen als auch Einblicke ins Gesundheitssystem als auch die Weiterentwicklung persönlicher Fähigkeiten durch die Beiratsarbeit angeht. Den Beitrag der Bürgerbeiräte für die Forschung sehen sie vor allem darin, eine kritische Stimme für Patient*innen in der Hausarztpraxis zu sein, zum kritischen Umdenken anzustoßen (z.B. bei Wissenschaftler*innen) und eine Schnittstelle zwischen Bürger*innen, Forschung, aber auch der Gesundheitspolitik zu bilden. 

Um sich effektiv beteiligen zu können, sei eine gute Wissensvermittlung mit entsprechender Vor- und Nachbereitung der Sitzungen mit professioneller Kommunikation durch die Koordinator*innen, die feste Ansprechpartner*innen sein sollten, elementar. Gut strukturierte und auf bestimmte Themen fokussierte Sitzungen seien ebenso wichtig wie ausreichend Zeit.

Eine vertrauensvolle und wertschätzende Atmosphäre, in der sich alle wohlfühlen und trauen, sich einzubringen, gilt als die wohl wichtigste Rahmenbedingung, um sich gewinnbringend austauschen zu können.  

Als großen Wunsch für die Zukunft äußerten die Vertreter*innen der Beiräte, dass eine digitale Informationsplattform geschaffen wird, auf die sämtliche Beiratsmitglieder bundesweit Zugriff haben und sich untereinander austauschen können. Sie möchten Forschungsprojekte im gesamten Prozess begleiten. Und sie betonten, dass sie sich als Vertreter*innen für Patient*innen in der Hausarztpraxis auch in Zukunft eine kontinuierliche Beteiligung in der Allgemeinmedizin wünschen, die auch entsprechend weiterhin finanziell gefördert werden müsse.

Als Novum wurde die Dokumentation der Ergebnisse mit einem sogenannten Graphic Recording (= simultanes Visualisieren) festgehalten.

In der an den arbeitsintensiven Vormittag anschließenden Mittagspause – mit einem gesunden und sehr vielfältigen Buffet - konnten sich die Beirät*innen untereinander in lockeren Gesprächen besser kennenlernen und weiter vernetzen. Auch am Tag zuvor bei einem Abendessen und in den Pausen am zweiten Tag war dies immer wieder möglich.

Sie konnten sich auch stärken für den zweiten Teil des Tages, in dem eine öffentliche Gesprächsrunde zum Thema „Patient*innen und Bürger*innen an allgemeinmedizinischer Forschung beteiligen“ auf dem Programm stand. Hier diskutierten: Dr. Martin Danner, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe e.V., Dr. Stefanie Houwaart, Koordinatorin des Wissenschaftlichen Beirats des BRCA-Netzwerk e.V.; Antje Schütt, Wissenschaftliche Referentin beim DLR-Projektträger, Dr. Sarah Weschke, Referentin für Stakeholderbeteiligung am QUEST-Center der Charité-Universitätsmedizin Berlin, Nina Passon, Mitglied des Patient*innenbeirats am Institut für Allgemeinmedizin in Frankfurt und Stefanie Eck, Gesundheitswissenschaftlerin und seit 2021 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung der TU München. Sie betreut den Bürger*innenbeirat des Instituts und ist BayFoNet-Koordinatorin. 

Moderiert haben die Runde Dr. Jennifer Engler und Dr. Christine Kersting, Leiterinnen der Arbeitsgruppe Partizipation der Initiative DESAM-ForNet.

Die komplette Gesprächsrunde wurde aufgezeichnet und ist ebenso wie eine ausführliche Zusammenfassung der Tagung mit allen Ergebnissen – inklusive des Graphic Recordings - unter folgendem Link zu finden.
 

Text: Stephanie Rupp/Astrid Palupski